„Der See hat Stopp gesagt”: Die Abenteurer sind vom Baikalsee zurückgekehrt

Sie sind wieder da: Wolfgang Kulow und Stefan Schlett sind wohlbehalten aus Sibirien zurückgekehrt und auf heimischen Boden gelandet. Nach wochenlanger Abwesenheit von ihren Familien wurden die Extremsportler am Hamburger Flughafen freudig empfangen und frenetisch gefeiert. Auch wenn die Expedition am Ende nicht wie geplant verlaufen war, schwärmen die beiden Abenteurer von einem herausragenden Abenteuer in der sibirischen Kälte.

Bereits 2013 machte sich der Ostholsteiner Wolfgang Kulow auf, um mit dem Fahrrad über den zugefrorenen Baikalsee zu fahren. Damals wollte der heute 66-jährige die 650 km lange Strecke von Süden nach Norden absolvieren. Unüberwindbare Packeisfelder mit messerscharfen hochstehenden Eisscheiben stoppten ihn kurz vor dem Ziel und verweigerten jegliche Weiterfahrt.

Die 2015er Route wurde anhand dieser Erfahrung modifiziert. Mit der Transsibirischen Eisenbahn fuhren Kulow und Schlett gleich zu Beginn in den Norden des Baikalsees und nahmen nun die schwierigen Packeisfelder vorweg, bevor die Strecke in Zickzacklinien Richtung Süden absolviert werden sollte.

Dazu nutzen die beiden die speziell fürs Eisfahren angefertigten Fahrräder, die mit Gepäck rund 60 Kilogramm wogen. Entlang der Strecke mussten die Sportler diese immer wieder abladen und über Hindernisse hieven, ehe die Reise weiter ging. Alleine solche Aktionen waren bereits höchst anstrengend.

Nach einer Tagesleistung von rund 50 Kilometern auf dem Rad wurde abends das Zelt auf dem Eis aufgeschlagen und mit Eisschrauben befestigt. Iso-Matte und ein Spezial-Schlafsack dienten bei - 28 °C als Nachtlager. Dabei war das Krachen und Knacken des Eises bei Nacht ihr ständiger Begleiter und ließ die beiden nur schwer zur Ruhe kommen. Als sei dies nicht schon genügend herausfordernd, wurde Stefan Schlett bereits in den ersten Tagen von einer starken Erkältung heimgesucht und war körperlich schwer angeschlagen.

Naturphänomen Baikalsee

Der Baikalsee ist mit einer Fläche von über 30.000 Quadratkilometern der älteste Süßwassersee der Welt. Durch seine Größe begegnet man oft tagelang keiner Menschenseele. Besondere Vorsicht war deshalb bei Verletzungen geboten, denn einen Notarzt sucht man dort vergeblich. So musste jeder Schritt der Extremsportler wohl überlegt und jeder Handschlag sitzen. Das Hantieren mit scharfen Gegenständen oder brennbaren Flüssigkeiten konnte ansonsten schnell zur Lebensbedrohung werden.

Durch Temperaturschwankungen von rund 20 °C im Tagesverlauf ist das Eis des Baikalsees permanent in Bewegung. Von einem auf den anderen Tag kann sich die Oberfläche komplett verändern und gefährliche Eisrinnen und Risse hervorbringen. Das mussten auch die beiden schmerzlich erfahren.

Einige Kilometer hinter der Insel Olchon, nachdem Kulow und Schlett etwa Dreiviertel des Weges zurückgelegt haben, passierte es: Die beiden fuhren etwa 100 Meter vom Ufer entfernt, als es plötzlich gewaltig donnerte. Direkt unter dem Rad von Stefan Schlett bildete sich ein gewaltiger Riss im Eis. Der Extremsportler geriet ins Straucheln und konnte nur mit Mühe sein Rad unter Kontrolle halten.

Es knackte und krachte unablässig weiter und nur wenige Meter von den beiden Sportlern schoss mit einem gewaltigen Druck eine riesige Wasserfontäne aus einer Eisspalte empor. Erst dann sahen sie mit Entsetzen, was bisher vollkommen unbemerkt blieb: Direkt vor ihnen ging die blanke Eisfläche nahtlos ins eisige Wasser über. Eine tödliche Falle, denn eine Weiterfahrt hätte unter diesen Bedingungen fatal enden können.

Durch den relativ milden Winter war ein Naturphänomen aufgetreten, das in Sibirien nur etwa alle 80 Jahre vorkommt: Der bis zu 1.600 m tiefe Baikalsee war an vielen Stellen im südlichen Bereich nicht zugefroren. Zudem liegt er in einem Erdbebengebiet, in dem es zum Zeitpunkt der Expedition etwa 38 kleinere Beben gab. Kulow weiß: „Es hätte auch anders kommen können.“ Und so beschlossen die beiden schweren Herzens, die Expedition an dieser Stelle zu beenden.

Doch sie hatten Glück im Unglück. Das Ende der Expedition hatte sich mit einem grausigen Donnern angekündigt, doch wie zur Wiedergutmachung tauchte an Land eine rote Hütte auf, die einladend in der Abendsonne strahlte und den beiden Unterschlupf bot.

„Der See hat rigoros Stopp gesagt“, kommentierte Kulow nach seiner Rückkehr in Deutschland den Rückschlag. „Verlieren ist immer schlecht. Aber wenn der See aufbricht und zu meinem Partner und mir sagt: ‚Jungs, für dieses Jahr ist Schluss‘, dann ist Schluss. Du musst die Natur akzeptieren“, so Kulow

„Dafür hat uns der Baikalsee aber mit der unglaublichen Schönheit der Natur entschädigt.“ Die spektakulären Fotos der beiden zeigen eine imposante Kulisse. „Besonders auf dem blanken Eis in einer Eishöhle zu schlafen war sehr beeindruckend“, sagt Kulow, der bereits seine nächsten Extremsport-Aktionen plant. DELTAMESS gratuliert den beiden zu dieser beeindruckenden Leistung und wird auch zukünftige Abenteuer unterstützen.

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